100 Sprachen hat ein Kind
Ein Kind ist aus 100 gemacht.
Es hat 100 Sprachen, 100 Hände, 100 Gedanken, 100 Weisen zu denken, zu spielen und zu sprechen. 100, immer 100 Arten zu hören,
zu staunen und zu lieben. 100 weitere Arten zu singen, zu verstehen. 100 Welten frei zu erfinden, 100 Welten
zu träumen.
Das Kind hat 100 Sprachen und 100 und 100 und 100...
99
davon aber werden ihm gestohlen, weil Schule und die
Umwelt ihm den Kopf vom Körper trennen. Sie bringen ihm bei, ohne Hände zu denken, ohne Kopf zu schaffen, zuzuhören und nicht zu sprechen, ohne
Vergnügen zu verstehen.
Zu lieben und zu staunen nur an Ostern und Weihnachten.
Sie sagen ihm, dass die Welt bereits entdeckt ist und von 100 Sprachen rauben sie dem Kind 99. Sie sagen ihm, dass das Spielen und die Arbeit, die Wirklichkeit und die Phantasie,
die Wissenschaft und die Vorstellungskraft, der Himmel und die Erde, die Vernunft und der Traum Dinge sind,
die nicht zusammengehören.
Sie sagen also, dass es die 100 Sprachen nicht gibt.
Das Kind sagt: „Aber es gibt sie doch!“
Loris Malaguzzi (1920-1994) Italienischer Pädagoge, Reggio-Pädagogik
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